Privatwirtschaftlicher Glasfaserausbau - Diemelstädter wollen schnelles Internet


DEKOM: Diemelstadt setzt beim Thema Glasfaser auf den privatwirtschaftlichen Ausbau. Warum hat sich die Stadt für diese Variante entschieden?

Elmar Schröder: Die neun Stadtteile der Stadt Diemelstadt wurden erst im Jahr 2019 mit dem Glasfaserausbau der Breitband Nordhessen GmbH in die Lage versetzt, dass allen Haushalten 50 bis 100 Megabit zur Verfügung gestellt werden konnten. Wir haben das Glück, dass alle Kabelverzweigerkästen der Telekom in unmittelbarer Nähe eines Multifunktionsgerätehauses Glasfaser bekommen haben, so dass nun nur noch die sog. letzte Meile über Kupferkabel der Telekom versorgt wird.  Über eine sog. Zielnetzplanung wurde im Jahr 2021 ermittelt, was der Ausbau mit Glasfaser in jedes einzelne Haus (Fiber-To-The-Home) kosten würde. Für Diemelstadt wurden Kosten in Höhe von 16,9 Mio. Euro errechnet.  Da die Firma Goetel angekündigt hatte, in den fünf nordhessischen Landkreisen den privatwirtschaftlichen Ausbau durchzuführen, konnte für die Stadt Diemelstadt kein Marktversagen festgestellt werden und somit wäre es auch nicht möglich gewesen, eine 90%ige Förderung in Anspruch zu nehmen. Im Gegenzug hatte die Firma Goetel ein sehr großes Interesse am Ausbau des gesamten Stadtgebietes, da derzeit eine extreme Unterversorgung in den Haushalten zu erkennen war. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass einige Orte nur über einen Kabelverzweigerkasten verfügen und so die Anschlüsse über Kupfer noch sehr lang sind und damit auch die Leistungsfähigkeit des Internets dämpfen.

DEKOM: Können tatsächlich alle neun Stadtteile flächendeckend rein privatwirtschaftlich ausgebaut werden?

Elmar Schröder: Die Firma Goetel hat der Stadt Diemelstadt angeboten, alle neun Stadtteile privatwirtschaftlich auszubauen, wenn 40 % der Anschlussteilnehmer bereit sind, den Glasfaseranschluss von Goetel zu nutzen. Obschon wir mitten in der Vermarktungsphase sind, ist erkennbar, dass wir in vielen Stadtteilen deutlich mehr als 40 % Anschlusswillige haben und sogar im Gesamtstadtgebiet über 40 % der Anschlüsse erreichen. Diese hohen Werte in den Stadtteilen sind sicherlich der Randlage an der Landesgrenze zu verdanken, denn die jahrzehntelange Unterversorgung hat den Menschen gezeigt, dass heute eine hochwertige Internetverbindung sehr wichtig ist. Aufgrund der intensiven Informationspolitik, die auch über den Aufbau eines sog. Multiplikatoren Netzwerks erfolgte, ist heute erkennbar, dass ein flächendeckender Ausbau in allen Stadtteilen möglich sein wird. Erstaunlich ist, wie sich die Menschen immer sehr stark auf die 40 % versteifen, denn es bedeutet doch nichts anderes, als dass man nicht die Hälfte der Anschlüsse benötigt, jedoch schon mehr als ein Drittel der Bürger erreichen möchte.

DEKOM: Sie haben die Bürgerinnen und Bürgern z. B. im Diemelstädter Amtsblatt zuletzt sehr detailliert über das Ausbauvorhaben informiert und jedem Hauseigentümer geraten, sich mit dem Angebot der Firma Goetel zu befassen. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Elmar Schröder: Natürlich darf sich eine Kommune beim Glasfaserausbau nicht einseitig für einen Marktteilnehmer aussprechen und so wurden auch keine politischen Beschlüsse zugunsten der Firma Goetel getroffen. Trotzdem ist es wichtig, dass man eine sehr hohe Marktabdeckung bei der Weitergabe von Informationen erzielt, damit die Bürger wissen, welche Bedeutung ihre Teilnahme am Projekt haben kann. Hier ist es uns neben zahlreichen Informationsabenden und der begleitenden Pressearbeit gelungen, über unsere Dorfapp „Crossiety“ in alle Haushalte vorzudringen, so dass die Bürger sich mit diesem Thema auseinandersetzen.

DEKOM: Häufig hört man, dass sich große Anbieter auf Kernstädte fokussieren und entlegenere Ortsteile links liegenließen. Ist solche „Rosinenpickerei“ als Stadt verhindern und ggf. wie?

Elmar Schröder: In einem freien Markt ist es nicht möglich, privaten Anlegern vorzuschreiben, wie sie ihr Geld investieren sollen, daher ist es verständlich, dass in einem dicht besiedelten Gebiet eine deutlich höhere Rendite zu erwarten ist. Aus diesem Grund ist es gut, dass im Falle eines Marktversagens eine Förderung von 90 % für die ländlichen Gebiete möglich gemacht wird. Trotzdem ist es optimal, wenn ein privatwirtschaftlicher Ausbau ohne Fördermittel gelingt, da sich die Kommune weder mit der Ausschreibung noch den Rahmenbedingungen für den Ausbau beschäftigen muss. Außerdem spart die Kommune ihren Eigenanteil in Höhe von 10%, was in Diemelstadt 1,7 Mio. € entspricht.

DEKOM: In „begehrten Lagen“ führt dies allerdings häufig zu Doppelstrukturen und Mehrfachverlegungen. Insbesondere auch vor dem Hintergrund der häufig beklagten begrenzten Tiefbaukapazitäten scheint das nicht besonders effizient…

Elmar Schröder: Natürlich kann es in lukrativen Gebieten sein, dass verschiedene Marktteilnehmer parallele Infrastrukturen aufbauen, die ihnen gehören. Dieser doppelte Ausbau kann nicht verhindert werden und führt in aller Regel zu Unzufriedenheit, denn der gleiche Bürgersteig müsste mehrfach aufgerissen werden. Die sicherlich unverständliche Doppelarbeit ist in einem freien Markt trotzdem nicht von der Kommune zu steuern, denn sie hat nach dem Telekommunikationsgesetz jedem Marktteilnehmer die Möglichkeit zu geben, seine Leitung verlegen zu können.

DEKOM: Sehen Sie nach Ihren bisherigen Erfahrungen Verbesserungsbedarf bei der Gigabit-Strategie der Bundesregierung und ggf. wo?

Elmar Schröder: Sicherlich hat es zu Beginn viele Jahre gedauert, bis Diemelstadt in seiner Randlage und der weitesten Entfernung zum Backbone nach Kassel mit Glasfaser erschlossen wurde. Trotzdem ist es sehr gut gewesen, dass der Bund bei 100%iger Förderung der Zielnetzplanung den Kommunen eine Möglichkeit gegeben hat, die Kosten für den gesamten Ausbau zu ermitteln. Nun kommt mit der jüngsten Entscheidung der Bundesnetzagentur in Bezug auf open-access noch ein wichtiger Punkt hinzu, denn die Unternehmen, die nun den Glasfaserausbau auf der letzten Meile vornehmen, dürfen die mit Steuermitteln finanzierte Glasfaser-Infrastruktur mit nutzen. In unserem Fall kann somit Goetel auf die vorhandenen Multifunktionsgerätehäuser der Breitband Nordhessen GmbH aufsetzen, ohne eine zusätzliche Infrastruktur ausbauen zu müssen.  DEKOM: Vielen Dank! (DEKOM, 13.01.2023) 

Über Diemelstadt

Diemelstadt ist eine Stadt im nordhessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg mit rund 5.200 Einwohnern. Sie entstand 1970, durch Zusammenlegung der Stadt Rhoden mit dem Ort Wrexen und umliegenden Orten. Verwaltungssitz ist Rhoden. www.diemelstadt.de

 

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